Donnerstag, 10. September 2015

Kann man aus der neuen Seilgartennorm auf unsere Gesellschaft schließen?

2008 erschien die erste Euronorm für Seilgärten. Sie hat meiner Erfahrung nach die Qualität der Branche nachhaltig beeinflusst. Nicht zuletzt hat sich das verpflichtende Inspektionssystem bewährt:
1. für viele Seilgärten, da sie dadurch einen starken Qualitätsschub erhalten haben.
2. für die Branche insgesamt, da viele Errichter (die oft gleichzeitig Inspektionsstelle sind) dadurch in regen Austausch getreten sind. Die Inspektionsgremien werten Unfälle aus und tauschen sich über Lösungen aus.

Meiner Erfahrung nach (mehr als 200 Seilgärten) sehe ich den Nutzen, wo ich einige massive und wirklich gefährliche Mängel bereits vor Inbetriebnahme bereinigen konnte.

Im August 2015 wurde nun vom DIN die überarbeitete Norm veröffentlicht. Ich habe sie einmal überflogen, dabei sind mir zwei Dinge sofort aufgefallen:

1. Das verpflichtende Inspektionssystem durch Inspektionsstellen, die in der ISO 17020 geregelt sind, ist Geschichte.

2. Die verpflichtende Baumkontrolle durch Baumsachverständige mit Haftpflichtversicherung ebenso.

In Normen gibt es 4 Stufen der "Wichtigkeit":

etwas "muss" sein: Eine unumgängliche Anforderung.
etwas "sollte" sein: eine Empfehlung, kein Muss
etwas "darf" sein: Eine Erlaubnis.. 
etwas "kann" sein: Eine Möglichkeit.

Im Kapitel 7.1.2. (Inspektion vor Inbetriebnahme) heißt es:
"Es wird empfohlen, dass ... eine Inspektionsstelle ... gemäß EN ISO/IEC 17020 ... zertifiziert ...

Das gleiche gilt für die Jahresinspektionen, die:
"... sollten ... durchgeführt werden."

Bezüglich Baumkontrolle:
Es muss zwar eine solche durchgeführt werden, doch kann das auch der Konstrukteur machen. Im entscheidenden Satz heißt es:
"Nach der Vorauswahl ... durch den Konstrukteur sollten diese einer Begutachtung durch einen spezialisierten Baumsachverständigen unterzogen werden ..."

Ich finde es bemerkenswert, dass in einer Branche, wo durhaus medienwirksame Unfälle passieren, wo (Schul-)behörden über Verbote nachdenken, das ursprüngliche Sicherheitssystem gekippt wird.

Folgende Fragen stellen sich mir:

Haben die Inspektionsstellen aus der Sicht der Experten zu wenig überzeugt?

Ist es ein gesellschaftspolitisches Zeichen? geht es in Richtung Korrektur eines als übertrieben empfundenen Regelungs- oder gar Sicherheitsbedürfnisses?

Erkennbar ist der Trend in Richtung Eigenverantwortung: Es kan nun jeder, der es sich zutraut, Seilgärten in die Bäume schrauben, das selbst kontrollieren und auch die Bäume selbst beurteilen.

Es gibt keine verpflichtende externe undabhängige Kontrolle mehr.

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