Mittwoch, 5. Oktober 2011

Simulationen für Wirtschaftsphänomene

Ausgangssituation
Es werden unzähliche kritische Vorträge über unser Geld- und Wirtschaftssystem gehalten. Ob jetzt Hörmann oder Felber, es läuft gleich ab: Einer redet, alle sitzen und hören zu (oder auch nicht).
Seit 25 Jahren habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Zuhörer wesentlich aktiver sind und mehr begreifen und behalten, wenn man Sachverhalte mit einer Übung erlebbar macht. Das ist nichts neues. Ob jetzt NASA-Spiel für Teamentscheidungen, Beer Distribution Game für Supply Chain Probleme oder Prisoners Dilemma Spiel in allen Varianten für ethisches Handeln - es gibt hunderte, ja tausende Spiele für alle erdenklichen Themen.
Wo sind die Spiele für unser Geldsystem? Und ich meine nicht Computersimulationen, sondern solche, wo man sich am besten auch selbst bewegen muss, um den Sachverhalt zu begreifen.
Mit Patrick Siebert arbeitete ich ein paar Tage daran - erfolglos.
Wir riefen Experten um Hilfe - und fanden sie.
Gestern abend traf sich die Gruppe mit folgendem Ziel:
Entwickeln von Simulationen um Phänomene unseres Geldsystems erlebbar zu machen.
Wir sahen zwei Herangehensweisen:
1. Wir haben ein Phänomen (Zinseszins, Interbankengeschäft, Geldschöpfung etc.) und suchen ein Spiel dafür
2. Wir nehmen ein Spiel und überlegen, zu welchem Phänomen es passen könnte.

Die Regeln müssen so angepasst werden, dass es nicht länger wie maximal 15 Minuten dauert.
Auch Spiele für fixe Tischreihen (Ja, die gibt es noch im Jahr 2011 auf Universitäten!!) müssen entwickelt werden.
Eine wichtige Regel wurde eingeführt: Zuerst spielen, dann reden.
Patrick hatte schon versucht, fürs Monopoly neue Regeln zu entwickeln, nach einer Stunde Diskussion über die Regeln wurden genervt erst wieder diese Regeln genommen.
Wir begannen mit 2 bekannten und bewährten Übungen, um uns dann in neues Terrain vorzuwagen.
Die Haupterkenntnisse dieses Abends:
1. Wir begannen mit der Fahrradmethode (schon hier im Blog beschrieben) . Da wurde bestätigt, dass der Schwarm manchmal völlig falsch liegt. In unserem Fall 100% falsch. Ein Experte ("ich habe das schon hundert mal gemacht, es geht immer so) wurde ignoriert (hier kommt es auf Vertrauen und versteckte Befürchtungen an). Das SK Prinzip führte zum gleichen falschen Ergebnis.
2. "Arm Wrestling" ist für das Thema Kooperation - Konkurrenz designed. Man kann es auch für das Thema Gewinnmaximierung des Einzelnen vs. der Gesamtheit, Teilen u.ä. verwenden.
3. Domino wird als Erklärungsmodell verwendet, wie Geld den Tauschhandel erleichtert. Wir fanden keine Regel, die das wirklich ermöglicht. Es war ein Flop. Langweilig und nicht lehrreich. Man muss noch an neuen Regeln arbeiten.
4. Dann begannen wir mit dem Kreditkartenspiel, das designed wurde, um das Interbankengeschäft und die damit verbundene Explosion der Geldmenge zu erleben. Das geht auch in Sitzreihen. Es dürfte funktionieren. Ein erster Erfolg!!
5. Dann kam wieder Monopoly.
Wir versuchten es mit neuen Regeln, mit Zinsgeld usw. Ergebnis: laaaaaaangweilig. Nix gelernt. Flop.

Danach saßen wir noch bis 4 Uhr früh und plauderten über alles, was so in unserer Welt vorgeht und vorgehen könnte ...
Eine Haupterkenntnis: So wie zur Zeit die Zinseszinsfalle explodiert passiert die gleiche exponentielle Kurve mit alternativen Geldsystemen und Diskussionen darüber. Vor 5 Jahren waren die Einzelnen noch ziemlich alleine. Die Gesellianer hier, die Chiemgauer da, die Waldviertler dort ... relativ geschlossene, oft isolierte, teilweise fundamentalistische Kreise. Nun beginnt sich alles zu vernetzen, zu öffnen und die Medien berichten massiv über Themen, die vor 5 jahren Medial nicht existent waren.

Wir wagten auch Prognosen, wann und ob unser Geldsystem zusammenbricht.... (hier habe ich eine 2008 eine Prognose gewagt).

Wichtig war aber die entspannte und ausschließlich auf Erkenntnisgewinn und nicht auf Rechthaben oder Wichtigmachen ausgerichtete Atmosphäre.

Ein schönes Erlebnis!
Mit dabei u.a. Kamala Wysoudil

Montag, 3. Oktober 2011

Die Grenzen der Schwarmintelligenz


In zahlreichen Beiträgen werden Begriffe wie die Schwarmintelligenz, Kollektive Intelligenz usw. geradezu als Wundermittel der Zukunft beschrieben.
Ich bin der Meinung, dass man hier etwas vorsichtiger sein sollte.

Typisch ist, dass es beim Wikipedia-Eintrag für Schwarmintelligenz (Kollektiven Intelligenz) keine Kritik gibt. Da muss man schon weiter suchen, z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Weisheit_der_Vielen.

Ich möchte hier meine Erfahrungen zu diesem Thema darlegen, mich aber auf die Bereiche konzentrieren, wo es NICHT gut ist, der Schwarmintelligenz zu vertrauen.

1 Der Worst Case: Das Abilene Paradox

Im schlimmsten Fall kann eine ganze Gruppe eine Entscheidung treffen, die ALLEN Gruppenmitgliedern zuwider läuft und ALLEN schadet.
Man kennt das z.B. von Unfällen (eine Gruppe von Bergrettern geht geschlossen in einen Lawinenhang gehen, jeder von ihnen denkt sich, das passt nicht, aber niemand sagt etwas). Die Gruppe handelt, aber zu ihrem und der Einzelnen Nachteil.



2 Agent Provocateur

Wenn man in einer Gruppe einige Leute anheuert, bei bestimmten Dingen laut die Zustimmung zu bekunden (klatschen), dann wird die Gruppenmeinung in diese Richtung manipuliert. Wenn das noch Prominente sind, dann kippt die Meinung rasch.


3. Wo viele sind, kommen viele hin
Wollen Sie, dass Kunden in Ihr Restaurant kommen? Laden Sie Freunde zum Gratisessen ein. Wo viele sind, kommen viele hin.
Wir haben das ausprobiert auf Messen. Einer von uns hat einen interessierten Zuschauer gemimt. Sofort blieben Leute stehen um zu schauen. Das passende Sprichwort dazu: Fresst Sch..... 1 Milliarde Fliegen können nicht irren.

4 Verstecktes Anzetteln

Man kann Massen zu Fehlentscheidungen verführen, indem man Gerüchte streut. Hier ist eine Liste einiger Manipulationsmöglichkeiten.

5 Der Millionenschow Publikumsjoker ist nicht immer richtig,

... weil viele Leute, die keine Ahnung haben, auch mitstimmen.
Bei Fragen, wo „man“ keine Ahnung hat, weil sie so schwierig sind, werden die wenigen Wissenden überstimmt.
Weiters wird die „Masse“ manchmal durch den Kandidaten auf die falsche Fährte geschickt durch einen selbstbewusst vorgetragenen Irrtum...
Hier ist ein typisches Beispiel dafür:


6. Bestechung und Erpressung
Wie gibt es das, dass z.B. die Wirtschaftsuniversitäten geschlossen grottenfalsche Theorien übers Geld vertreten? Dass Konkurrenz gut ist, dass Produktivität Geld erzeugt, dass sich unser Wirtschaftssystem ausgehen kann... Siehe z.B. hier in dieser Diplomarbeit.
Es ist zu vermuten, dass hier Erpressung vorliegt: Du machst nur Karriere, wenn Du diese Meinung vertrittst, oder Bestechung: Du bekommst die bessere Stelle, wenn du diese Meinung vertrittst.

Fazit: der Schwarm ist manchmal grottendumm.

Es gilt, genau zu unterscheiden, wo das der Fall ist und entsprechende Methoden anzuwenden.

Was ich in der nächsten Zeit ausprobieren möchte, ist, ob man durch das SK-Prinzip diese Fehler in der Schwarmintelligenz kompensieren kann.


Schwarmintelligenz testen: Die Fahrradmethode (Was sagt uns der Hausverstand?)

Ich habe eine Methode, die ich Fahrradmethode nenne:

Man stelle sich ein Fahrrad vor, das nur gegen Umfallen gesichert ist, und wo am unteren Pedal eine Schnur befestigt ist. Wenn man nun nach rückwärts an der Schnur anzieht, wohin bewegt sich das Fahrrad im ersten Impuls?

A: Fahrrad beginnt nach vor zu rollen, B: alles blockiert, C: Fahrrad beginnt nach hinten zu rollen.

Die Gruppenentscheidung war bisher IMMER falsch. Weil der Hausverstand hier falsch liegt. Und in solchen Situationen versagt auch die Schwarmintelligenz.


Nachträglicher Kommentar:

Wir haben es ausprobiert. Die Gruppe trifft die gleiche (grottenfalsche) Entscheidung wie vorher, aber ist mit ihrer Entscheidung zufriedener.

Wichtige Erkenntnis zum SK-Prinzip (meine bisherige Erfahrung):
Es dient NICHT der Erkennnisgewinnung.
Es dient der Einigung.

Noch ein nachträglicher Kommentar  (8. Oktober 2012)

Nachdem ich mich die letzten Monate immer wieder diesem Thema beschäftigt habe, möchte ich mein Fazit korrigieren:

Neues Fazit: der Schwarm ist meistens grottendumm.

Ich glaube, es sind nur wenige Ausnahmen, wo der Schwarm Intelligenz zeigt.

Noch ein aktuelles Argumente gefällig?

 Wie groß die Zustimmung zu Donald Trump ist, spricht auch nicht für die Weisheit der Massen ...
https://www.youtube.com/watch?v=cRly-0wwl_g

 Dass die Mehrheit seit Jahren immer die gleichen Parteien wählen, die die reichen reicher machen ... ist das kollektiver Weitblick?

Und dass die Menschheit systematisch den Planeten zerstört, auf dem sie lebt ... Schwarmintelligenz?